Klaus-Peter Stöppler Bild: Klaus-Peter Stöppler

„Bau-Turbo“ löst die Wohnungskrise nicht

Die Baugenehmigungen für Neubauwohnungen in Deutschland sind im ersten Halbjahr um rund 5 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. Doch nach Einschätzung des Bau- und Immobilienexperten Klaus-Peter Stöppler werden im Gesamtjahr bestenfalls 200.000 Wohneinheiten fertiggestellt – weit weniger als die 300.000 bis 400.000, die nötig wären, um die Wohnungsnot spürbar zu entschärfen.

„Die Baugenehmigungen steigen leicht, aber die Fertigstellungen hinken weit hinterher“, analysiert der Bau- und Immobilienexperte Klaus-Peter Stöppler, den sogenannten „Bau-Turbo“ der Bundesregierung. Er sagt: „Ein Ende der Wohnungskrise in Deutschland ist nicht absehbar.“

Die Diskrepanz zwischen Genehmigungen und Fertigstellungen deute auf strukturelle Defizite hin: „Wir genehmigen mehr – aber bauen nicht genug.“ Der Rückstand drohe zur Hypothek für Städte und Regionen zu werden.

„Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum bleibt eine der größten sozialen Herausforderungen in Deutschland“, so Stöppler. Er verweist auf Schätzungen, wonach bundesweit zwischen einer halben und einer Million Wohnungen fehlen. Besonders in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München bleibe die Lage weiterhin angespannt.

Bau-Turbo bleibt ohne weitere Maßnahmen im Leerlauf“

Es sei zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit ihrem „Bau-Turbo“ Genehmigungsverfahren von fünf Jahren auf zwei Monate verkürzen will, begrüßt Stöppler die politische Entscheidung. Hinzu sollen staatliche Fördermittel fließen, darunter 3,5  Mrd. Euro für den sozialen Wohnungsbau. Für den Experten ist dies ein notwendiger Schritt, aber längst nicht hinreichend. „Ohne umfangreiche Deregulierung und eine Entbürokratisierung auf Landes- und Kommunalebene bleibt der Turbo im Leerlauf“, sagt er. Zudem gäbe es zahlreiche weitere Gründe für die mangelnde Bautätigkeit: die Explosion der Baukosten, die hohen Bauzinsen und der Fachkräftemangel.“

Er rechnet vor: „Die Baukosten sind seit 2020 um 40 Prozent gestiegen, während die Bauzinsen bei vier Prozent liegen. Die Herstellungskosten für Geschosswohnungen variieren zwischen 3.300 und 8.300 Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommen durchschnittlich 760 Euro pro Quadratmeter für Grund und Boden. Das ist eine Größenordnung, bei der bezahlbarer Wohnraum kaum noch darstellbar ist.“

Breites Spektrum von Maßnahmen gegen die Wohnungsnot

Der Bau- und Immobilienexperte macht konkrete Vorschläge zur Linderung der Wohnungsnot, die über den „Bau-Turbo“ hinausgehen. So könnten die Grunderwerbsteuerfreibeträge angepasst und die Mehrwertsteuer auf Baukosten von 19 auf 7 % gesenkt werden, um die Herstellungskosten zu reduzieren. Zudem sollte der Leerstand durch progressive Steueranreize und Förderprogramme zur Umnutzung von Gewerbe- und Büroflächen in Wohnraum aktiviert werden, insbesondere in Großstädten, wo etwa 1,5 Mio. m2 Bürofläche leer stünden.

Serielle und modulare Bauweisen könnten durch staatliche Zuschüsse und standardisierte Baukonzepte gefördert werden, um Baukosten um bis zu 20 % zu senken und Bauzeiten zu halbieren. Kommunale Grundstücke ließen sich gezielt für den sozialen Wohnungsbau reservieren, indem mindestens 50 % der verfügbaren Flächen in städtischen Entwicklungsgebieten für preisgebundenen Wohnraum vorgesehen würden.

Darüber hinaus mahnt der Baufachmann dringend eine Lockerung technischer Standards an, weil diese „oftmals jedes vernünftige Maß überschreiten“, etwa in Bezug auf Stellplätze oder Schallschutz. „Der Staat muss endlich seine irrsinnige Regelwut zügeln“, sagt er. Von einer umfassenden Digitalisierung der Bauämter wagt indes nicht einmal Klaus-Peter Stöppler zu träumen, wie er formuliert, „Eher fährt die Bahn pünktlich oder wir haben eine flächendeckende Breitbandversorgung mit schnellem Internet in Deutschland.“

bau-interim.com

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